Buchempfehlung – Eltern sein Plus!

Eltern sein plus!

Begleitung von Kindern mit Unterstützungsbedarf
Hers. von Franziska Hänsenberger-Aebi und Urs Schäfer
Seismo-Verlag (Sozialwissenschaften und Gesellschaftsfragen

Gelesen von Angela Hepting
Leitung Heilpädagogischer Dienst GR
Co-Präsidentin VHDS

Die dritte nationale Fachtagung der Stiftung Arkadis widmete sich im November 2015 dem Thema Eltern sein plus – Begleitung von Kindern mit Unterstützungsbedarf. Als Folge dieser Tagung ist das vorliegende Fachbuch entstanden. Es besteht aus Beiträgen diverser Fachpersonen und beleuchtet das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Fachartikel sind zwischen 10 und 30 Seiten lang und vermögen die aufgegriffenen Themen in einer sehr angenehmen Tiefe darzustellen, so dass man einen Überblick aber auch ganz spezifisches Wissen über die Thematik gewinnen kann. Das genaue Hinschauen der Fachpersonen ermöglicht die Vielschichtigkeit der Thematik zu erfassen.

Das Buch spannt den Rahmen weit über das eigentlich Elternsein hinaus. Durch fundierte Darlegungen von Sachverhalten, Vermittlung von Wissen und Informationen über hilfreiche Angebote spricht es neben Fachpersonen auch Eltern von Kindern mit Unterstützungsbedarf an. Es thematisiert die Zeit vor der Schwangerschaft über die Geburt, die ersten Lebensmonate und die Jahre bis hin zur Beratung und allfälligen Therapie/Förderung des Kindes mit Unterstützungsbedarf.

Elisabeth Beck-Gernsheim setzt sich in einem ersten Artikel mit den gesellschaftlichen Einflüssen auf potentielle Eltern auseinander und spricht dabei den Wandel im Verständnis von Kindheit und Kindererziehung an, welche von einer Gleichgültigkeit gegenüber Kindern bis hin zur übertriebenen Förderung reicht. Dies hat ihrer Meinung nach eine ganze Palette von Spezialistinnen und Spezialisten hervorgerufen, welche Unterwünschtes korrigieren und therapieren „müssen“. Sie spricht an, dass der Druck so gross sein kann, dass Mütter ihre Mutterschaft bereuen, obwohl oder gerade weil sie ihr Kind lieben und dieses einem solchen Druck eigentlich nicht aussetzen möchten.

Martin Hafen schreibt über die Möglichkeiten Belastungsfaktoren bei den Kindern selbst und/oder deren Umfeld zu reduzieren und die Option die Entwicklung von Schutzfaktoren zu fördern.

Klaus Sarimski geht den Fragen nach, wie sich der Beziehungs- und Bindungsaufbau zu Kindern gestaltet, bei denen eine dauerhafte Behinderung vorliegt. Er spricht die Wechselwirkung elterlicher Bewältigungsstrategien hinsichtlich der Diagnose ihres Kindes an und verweist auf die positiven Effekte einer geglückten Bewältigung dieser „Kriese“ auf die Bindungsqualität und damit auch auf die Entwicklung des Kindes und die Elternzufriedenheit.

Manfred Pretis beleuchtet verschiedene Erklärungsansätze des Begriffs Familienorientierung in der Frühförderung. Da rund 90% der entwicklungsförderlichen Aktivitäten im Kindesalter im Rahmen von Interaktionen mit den Eltern stattfindet weist er auf die immense Wichtigkeit hin, im Rahmen der Heilpädagogischen Früherziehung die Befähigung der Eltern als zentrale Thema zu etablieren. Er betont zudem, dass neben der grundsätzlichen Diskussion bezüglich Definition von Familienorientierung ein Transfer des Konzepts von einem Haltungsmodell zu einem Handlungsmodell stattfinden müssen.

Franziska Hänsenberger-Aebi stellt ein konkretes Projekt der Heilpädagogischen Früherziehung vor, welches sich an zu früh geborene Kinder und deren Eltern wendet. Das Projekt zeigt die Möglichkeiten der Begleitung im Rahmen der Heilpädagogischen Früherziehung auf und widmet sich den spezifischen Fragen, die in diesem Kontext auftauchen und sich vom gängigen Tätigkeitsfeld (mit schon älteren Kindern) in der Heilpädagogischen Früherziehung unterscheiden.

Suzanna Braga gibt Einblick in ihre Erfahrungswelt als Fachärztin für medizinische Genetik. Konkrete Praxisbeispiele zu den Themen «Entscheidung, Geburt, Akzeptanz, Wut und individuelle Förderung» zeigen auf, wie breit auch das ärztliche Tätigkeitsfeld ist und wie bedeutsam die umfassende und nicht lediglich medizinische Begleitung von werdenden Eltern ist, welche möglicherweise ein Kind mit Unterstützungsbedarf erwarten werden.

Isabella Bertschi, Claudia Ermert und Diana Sahrai teilen ihre Gedanken über die Einbettung der Familienorientierung im Studium der Heilpädagogischen Früherziehung und schliessen damit den Kreis zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und Ausbildung im Sinne eines Praxistransfers.

 

Gelesen von Angela Hepting