Recht Ratgeber – Assistenz

Das passende Mosaik für den Einzelfall

Daniel Schilliger, Rechtsanwalt Procap

Die Finanzierung eines Lebens zu Hause ist sehr komplex, weil so viele verschiedene Leistungsarten zusammentreffen. Es geht darum, herauszufinden, welche Versicherung für welche Leistungen zuständig ist und wie diese gegeneinander abgegrenzt werden.

Wir haben in der Schweiz kein umfassendes Pflegegesetz, das die Finanzierung des Lebens zu Hause regelt. Die einzelnen Leistungen sind auf verschiedene Gesetze verteilt. Um zu klären, wie sich das Leben zu Hause finanzieren lässt, muss für jede einzelne Leistung geprüft werden, ob diese in der konkreten Fallkonstellation infrage kommt. Im Folgenden zeigen wir auf, anhand welcher Fragen in einer Beratung geklärt werden kann, welche Sozialversicherungsleistungen im konkreten Fall beansprucht werden können.

 

Die ersten Fragen

  1. Wer braucht die Unterstützung?

Ein Kind, das Unterstützung benötigt, benötigt andere Leistungen als eine erwachsene Person oder eine Person im AHV-Rentenalter. So ist es zum Beispiel nur für Kinder bis zu einem Alter von 20 Jahren möglich, über die IV Spitexüberwachungsleistungen abzurechnen. Ergänzungsleistungen stehen wiederum nur Menschen ab 18 Jahren zur Verfügung.

  1. Wer unterstützt?

Gewisse Leistungen, wie beispielsweise die Hilflosenentschädigung, sind frei einsetzbar. Mit anderen Leistungen wie etwa dem Assistenzbeitrag oder den Pflegeleistungen der Krankenversicherung können hingegen nur ganz bestimmte Personen finanziert werden. So ist es mit dem Assistenzbeitrag nicht möglich, den Ehemann oder die Ehefrau für seine/ihre Hilfe zu entschädigen. Und Pflegeleistungen der Krankenversicherung stehen nur zur Verfügung, wenn die Leistung durch die Spitex erbracht wird.

  1. Wie wird unterstützt?

Für gewisse Leistungen spielt es eine Rolle, welcher Art die geleistete Unterstützung ist. So entschädigt die Ergänzungsleistung in gewissen Kantonen hauswirtschaftliche Leistungen anders als Pflegeleistungen. Die Spitex wiederum kann über die Grundversicherung der Krankenkasse nur Pflegeleistungen abrechnen. Hauswirtschaftliche Leistungen der Spitex können allenfalls über die Zusatzversicherungen oder die Ergänzungsleistung abgerechnet werden.

  1. Welche Versicherungen kommen infrage?

Aus diesen ersten drei Fragen ergibt sich schliesslich, welche Versicherungsleistungen für die Finanzierung des Lebens zuhause in Frage kommen. Diese gilt es in der Folge zu beantragen. Je nach Leistungskategorie sind dafür unterschiedliche Versicherungen zuständig. Wie vorgehen? Nach einem Antrag wird die entsprechende Leistung durch die Sozialversicherung abgeklärt. Einigen Abklärungen, wie zum Beispiel bei der Hilflosenentschädigung oder beim Assistenzbeitrag, gehen sogenannte Selbstdeklarationen voraus. In diesen Fällen füllt man mit der Anmeldung bereits ein Formular aus, worin man zum Hilfsbedarf Stellung nimmt. Diese Selbstdeklaration dient als Richtschnur für die weiteren Abklärungen. Bei der Hilflosenentschädigung und dem Assistenzbeitrag führt die Abklärungsfachperson der IV eine Abklärung zu Hause durch. Bei dieser Abklärung geht es darum, den Bedarf zu erheben und die Höhe der entsprechenden Leistungen festzusetzen. Wenn es um Spitexleistungen geht, wird der Bedarf durch die Spitex abgeklärt. Es ist hilfreich, sich vor diesen Abklärungen bewusst zu machen, wo man überall Unterstützung benötigt. Dabei lohnt es sich, die Beeinträchtigungen ehrlich zu benennen. Es kann hilfreich sein, Vertrauenspersonen beizuziehen, die einen dabei unterstützen und vielleicht auch bei der Abklärung ergänzen können. Auch eine Beratung kann hierbei sehr wertvoll sein, und es lohnt sich, diese früh in Anspruch zu nehmen. Wenn der Bedarf feststeht, wird die Leistungshöhe konkret festgelegt, und es ergeht ein Entscheid in Form eines Vorbescheides (IV) oder einer Verfügung (EL). Es ist wichtig, möglichst rasch zu prüfen, ob man mit diesem Entscheid einverstanden ist. Wenn nicht, kann man innerhalb von 30 Tagen reagieren. Die Reaktion hängt von der Art des Entscheides ab, kann also ein Einwand, eine Einsprache oder eine Beschwerde sein. Wenn Sie mit dem Entscheid nicht einverstanden sind, lohnt es sich spätestens jetzt, eine Beratung beizuziehen. Beachten Sie, dass die Beratung Zeit braucht, etwa um die Akten zu bestellen und zu studieren. Reagieren Sie also rasch. Wenn die Leistungen feststehen, zeigt sich vielleicht, dass das Unterstützungssystem in einigen Punkten überdacht oder angepasst werden muss, damit die Leistungen optimal eingesetzt werden können. Für die Umsetzung ist zudem der Austausch mit anderen Menschen, die schon Erfahrungen darin gesammelt haben, wertvoll. Eine Vernetzung mit anderen Betroffenen kann daher sehr hilfreich sein.

Das Leben ändert sich

Dauerleistungen der Sozialversicherungen, wie zum Beispiel eine Hilflosenentschädigung oder ein Assistenzbeitrag, gelten immer so lange, wie die Umstände gleich bleiben. Bei einer Veränderung der Umstände werden die Leistungen überprüft und allenfalls angepasst. Diese Überprüfung nennt sich Revision. Eine Revision wird von Amtes wegen alle paar Jahre durchgeführt. Eine Revision wird aber auch dann ausgelöst, wenn eine Veränderung gemeldet wird oder die betroffene Person selbst einen Antrag auf eine Überprüfung der Leistungen stellt. Es ist wichtig, die Meldepflicht ernst zu nehmen. Es müssen alle Veränderungen gemeldet werden, die den Entscheid beeinflussen. Im Bereich der Leistungen für die Unterstützung sind das beispielsweise gesundheitliche Veränderungen, Veränderungen bei den Hilfspersonen und der Wohnsituation oder anderes. Was bringt die Zukunft? Die heute zur Verfügung stehenden Leistungen wie Hilflosenentschädigung und Assistenzbeitrag oder Spitex haben sich etabliert und werden kaum grundsätzlich ändern. Eine wesentliche Änderung wird aber die Subjektfinanzierung bringen, die in einigen Kantonen diskutiert wird. Bei der Subjektfinanzierung geht es darum, den Bedarf einer Person unabhängig von ihrer Wohnsituation festzusetzen. Ein Heimbewohner oder eine Heimbewohnerin soll grundsätzlich die gleichen kantonalen Leistungen erhalten wie eine Person, die nicht in einer Institution lebt. Die Art und Weise der Ausgestaltung ist kantonal unterschiedlich und in vielen Kantonen erst im Projektstadium. Die Subjektfinanzierung ändert grundsätzlich allerdings nichts an den bisher bekannten Leistungen der Sozialversicherungen wie Hilflosenentschädigung, Assistenzbeitrag, Spitexleistungen und Ergänzungsleistung, da sie nur die kantonalen Leistungen betrifft. Es ist davon auszugehen, dass mit der Subjektfinanzierung die Finanzierung des Lebens zu Hause oder im Heim zwar komplizierter, aber auch flexibler wird. Sie hat zum Ziel, eine möglichst hohe Wahlfreiheit der Lebensform zu gewährleisten. Es bleibt abzuwarten, wie die Kantone dies umsetzen.

Die einzelnen Leistungen werden in einem Merkblatt kurz vorgestellt. Sie finden das Dokument als PDF unter www.procap.ch > Publikationen > Procap-Merkblatt «Leben zu Hause».