Interview mit Jonas Frei

Bündner Behindertensportler 2025 Jonas Frei

Jonas Frei wurde an der diesjährigen Bündner Sportnacht mit dem Preis  Bündner Behindertensportler 2025 ausgezeichnet. Im Interview erzählt er von seinen persönlichen Erlebnissen und sportlichen Erfolgen – spannende Einblicke von Mensch und Athlet in einem.

vlnr. RR Parolini, Jonas Frei, Beat Hefti

Persönlicher Hintergrund & Lebensweg

Jonas, du bist 1997 geboren und lebst heute in Rothenthurm (SZ). Was hat dich schon in deiner Jugend geprägt – und wie unterscheidet sich dein Alltag heute?

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und war schon als Kind viel in der Natur und in den Bergen unterwegs. Diese Nähe zur Natur hat mich stark geprägt und ist bis heute ein wichtiger Teil meines Lebens geblieben. Was sich verändert hat, ist das Wie. Früher bin ich einfach drauflosmarschiert. Heute plane ich meine Wege genauer und verlasse mich auf gut zugängliche und schöne Strecken. Und wenns in die Berge geht, nehme ich oft die Seilbahn. Der Blick von oben ist nämlich immer noch derselbe.

Im April 2014 hattest du einen schweren Rollerunfall mit Folgen – wie hast du diesen einschneidenden Moment erlebt und was hat dir geholfen, wieder nach vorne zu blicken?

Der Unfall war ein tiefer Einschnitt in mein Leben. Von einem Moment auf den anderen war nichts mehr wie vorher. Ich hatte aber das Glück, ein starkes Umfeld an meiner Seite zu haben. Meine Familie, enge Freunde und eine tolle Betreuung im Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil. In solchen Zeiten ist genau das unglaublich wichtig.

Auch wenn ich die Folgen des Unfalls relativ schnell akzeptieren konnte und grundsätzlich zukunftsorientiert und positiv durchs Leben gehe, gab es besonders am Anfang immer wieder schwierige Phasen. Gerade dann hat mir mein Umfeld enorm viel Kraft gegeben und gezeigt, dass man auch in neuen Lebensumständen seinen Weg finden kann.

In deiner Reha im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil hast du verschiedene Sportarten ausprobiert – was war es beim Para-Bob, das dich so gepackt hat?

In meiner Jugend habe ich mit Leidenschaft geschwungen. Nach dem Unfall fiel es mir anfangs schwer, mich für eine neue Sportart zu begeistern. Vor allem bei den Leichtathletik-Disziplinen hat mir einfach die Action gefehlt.

Mit dem Para-Bob habe ich dann eine Sportart gefunden, die mich wirklich packen konnte. Es gibt einige Parallelen zum Schwingen. In beiden Sportarten geht um Reaktion und darum, in kürzester Zeit Entscheidungen zu treffen. Genau das hat mich fasziniert.

Dazu kommen die Geschwindigkeit, das Adrenalin und die Kräfte, die beim Bobfahren wirken. Das macht den Para-Bob für mich zu einer einzigartigen und unglaublich spannenden Sportart.

 Über Para-Bob & Sport

 Wie funktioniert der Start im Para-Bob, gerade ohne funktionierende Beine – wie erklärst du es Menschen, die zum ersten Mal davon hören?

Da wir den Schlitten nicht wie die anderen Bobfahrer anstossen und anschliessend reinspringen können, haben wir ein „Katapult”, das uns anschiebt. Das heisst, wir sitzen beim Start bereits im Schlitten und werden mit einer Maschine angeschoben. Dank dieser Maschine kommt der Para-Bobsport mit einer Kategorie aus und gehört wohl zu den fairsten Behindertensportarten. Egal, ob Mann oder Frau, ob mit Amputation oder im Rollstuhl, in der Bahn sind alle gleich und können gemeinsam um die schnellsten Zeiten kämpfen.

Jonas Frei im Olympia Bob Run St. Moritz.

Erzähle uns von deinen Bahn-Erlebnissen im In- und Ausland – wo fühlst du dich am wohlsten, und welcher Kurs ist dein persönlicher Liebling?

Wir sind eine Wintersportart. Und als Rollstuhlfahrer im Winter unterwegs zu sein, sorgt immer wieder für besondere Erlebnisse. Wenn es über Nacht 50 cm schneit, hilft manchmal auch die beste Planung oder Kreativität nichts mehr. Da braucht es dann einfach Unterstützung, um nur zum Auto zu kommen. Aber genau solche Momente machen das Ganze auch spannend. Im Nachhinein kann man dann darüber schmunzeln.

Am wohlsten fühle ich mich auf meiner Lieblingsstrecke in St. Moritz. Im Engadin werden wir jedes Jahr herzlich empfangen. Die Mitarbeitenden der Bahn sind extrem hilfsbereit, was für uns einen reibungslosen Ablauf bei Trainings und Rennen ermöglicht.

Die Bahn in St. Moritz ist etwas ganz Besonderes: Es ist die letzte Natureisbahn der Welt, sie wird jedes Jahr neu aufgebaut. Alle anderen Bahnen sind aus Kunsteis. Es ist auch die schnellste Strecke, die wir fahren. Dort erreichen wir bis zu 130 km/h.

 Beruf & Alltag

Nach dem Unfall hast du die Lehre zum Konstrukteur bei Garaventa AG abgeschlossen – wie gelingt dir der Balanceakt zwischen anspruchsvollem Beruf und Spitzensport?

Ohne einen Arbeitgeber, der den Sport mitträgt, wäre Leistungssport auf diesem Niveau für mich gar nicht möglich. Bei Garaventa habe ich das grosse Glück, auf viel Verständnis und Unterstützung zu stossen. Ich kann meine Saison so planen, dass sie optimal zu meinen sportlichen Zielen passt. Mit einem 80%-Pensum ist eine gute Planung das A und O. Im Sommer nutze ich die Zeit, um etwas vorzuarbeiten. So kann ich mich im Winter voll auf meine Wettkämpfe und Trainings konzentrieren. Auch wenn es sich manchmal wie Spitzensport anfühlt, verdient man im Para-Bob-Sport kein Geld. Umso wichtiger ist ein verlässlicher Job im Rücken, der einem diese Leidenschaft überhaupt ermöglicht.

Garaventa unterstützt dich sportlich als Sponsor – wie wirkt sich diese Unterstützung auf dein Training und deine Ziele aus?

Wie bereits erwähnt, verdienen wir im Para-Bob, wie viele andere im Behindertensport, kein Geld. Deshalb ist jede Unterstützung durch Sponsoren enorm wichtig. Sie ermöglicht es mir überhaupt erst, regelmässig zu trainieren und an Wettkämpfen teilzunehmen.

Je mehr Sponsorengelder zur Verfügung stehen, desto intensiver kann ich trainieren. Denn meine Trainings finden nicht einfach in der Turnhalle um die Ecke statt. Wir müssen an Bobbahnen reisen, meist für mehrere Tage. Dazu kommt der Transport des Bobs und viel organisatorischer Aufwand. All das verursacht Kosten, die gedeckt werden müssen.

Ziele & Visionen

Dein grosses Ziel: den WM-Titel in St. Moritz verteidigen und Para-Bob eines Tages olympisch zu sehen – wie weit ist der Weg bis zur Paralympics-Anerkennung?

Das ist eine schwierige Frage. Para-Bob hat sich bereits mehrfach um die Aufnahme ins Paralympische Programm beworben. Obwohl alle Anforderungen erfüllt waren, wurde die Sportart letztes Jahr erneut und ohne Begründung abgelehnt. Es macht den Eindruck, als fehle beim Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) der Wille, Para-Bob wirklich aufzunehmen. Solange sich daran nichts ändert, wird es wohl schwierig, diesen Schritt je zu schaffen. Sportlich gesehen stehen wir gut da. Wir haben eine funktionierende Weltcupserie, organisierte Europa- und Weltmeisterschaften und ein starkes internationales Teilnehmerfeld. Eigentlich brauchen wir die Paralympics nicht, um unsere Leistungen zu messen. Was jedoch schade ist, viele Fördermittel, wie etwa die Sporthilfe, sind nur für paralympische Disziplinen zugänglich. Da bleibt uns trotz sportlicher Erfolge vieles verschlossen.

Welche persönlichen oder sportlichen Ziele (z. B. Techniken, Bahnen, Medaillen) hast du dir für die kommende Saison gesteckt?

Ich möchte nochmal den Gesamtweltcup gewinnen. Letztes Jahr war ich mit dem 2. Platz nahe dran, und genau das motiviert mich jetzt umso mehr.

Was würdest du anderen Rollstuhlfahrern oder Menschen mit Behinderungen mit auf den Weg geben, die sich sportlich orientieren wollen?

Probiert es aus! Es gibt so viele Sportarten und Möglichkeiten. Aber man muss den ersten Schritt machen und offen sein, Neues zu entdecken. Der Sport kann einem viel geben. Körperlich, aber auch mental. Es geht nicht darum, gleich Leistungssport zu machen. Viel wichtiger ist, dass man etwas findet, das einem Freude macht.

Persönlich & Privates

Was bedeutet „normal glücklich“ für dich – was sind deine kleinen Alltagsfreuden neben dem Sport?

Für mich bedeutet glücklich sein, die kleinen Dinge zu sehen und zu schätzen, die einem Freude machen. Sei es in der Natur, ein Lachen mit Freunden oder einfach ein Moment der Ruhe. Genau diese kleinen Momente machen einen Glücklich.

Was sind deine Lieblingsplätze in Graubünden und der Schweiz zum Abschalten – und was darf bei keinem Wochenende fehlen?

Mein Lieblingsplatz in Graubünden ist vermutlich der Julierpass. Spätestens wenn man darüberfährt, kommt die Vorfreude aufs Bobfahren. Gleichzeitig ist man mitten in den Bergen, und genau diese Umgebung gibt mir Ruhe und neue Kraft.

Lieber Jonas, vielen Dank für das Interview. Philipp Ruckstuhl